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Ritornell
Oliver Prechtl präsentiert: Ritornell Schallplattenproduktion
Es gibt Platten, die einen Startpunkt markieren. Das sind oft Studio-Produktionen, in denen ein musikalisches Programm in der doch eher hermetischen Welt eines Studios aufgenommen, weiterbearbeitet und klanglich perfektioniert wird. Dann gibt es Platten, die einen Live-Mitschnitt dokumentieren. In solchen Fällen können manchmal herausragende Dokumente entstehen, welche durch das Zusammenspiel von gelungener Performance, der Aufmerksamkeit des Publikums sowie einer angemessenen Mikrophonierung einen besonderen Moment eines Live-Programms abbilden. Oftmals begleitet die Produktion eines Tonträgers auch einfach das laufende Projekt und stellt lediglich eine Dokumentation desselben dar.
Die Produktion der Schallplatte mit dem Titel 'Ritornell' von Oliver Prechtl hingegen gibt einen ersten Blick frei auf ein Panoptikum von Versuchsanordnungen, mögliche Annäherungspunkte von Aspekten der traditionellen Aufführungspraxis und moderner Live-Konzepte aufzuspüren. Es ist eine Kompilation von Aufnahmen aus den Jahren 2005-2015, die in kammermusikalischer Zusammenarbeit mit Instrumentalisten sowie im kontextuellen Dialog von Musik und Theater entstanden sind. Die Auswahl der Aufnahmen reflektiert die Bezugnahme auf bereits existierendes musikalisches Material, welches mal mehr, mal weniger erkennbar durch die jeweilige Bearbeitung durchscheint.


1. Akkordsport - An das Meer

Die Akkordsport-Interpretation von An das Meer basiert auf einer Komposition von Edward MacDowell, für die Rüdi Kurz und ich bei einem unserer montäglichen Freischwimmer-Abende eine neue Form gefunden haben. Durch künstlerische Verkennung und mithilfe einer Schere war es uns möglich, den Notentext in papierne Notensamples zu zerlegen. Als dann der Klebstift zum Zug kam, konnten wir die Neuanordnung derselben auf gewöhnlichem Druckerpapier fixieren. Auf dieser Platte ist ein Live-Mitschnitt von den 31. Stuttgarter Jazztagen XL vom 5.11.2010 im Stuttgarter Jazzclub Bix zu hören. Es spielen Micha Speth (Violine), Lorenz Unger (Viola), Céline Papion (Violoncello), Rüdi Kurz (Kontrabass). Ich selbst spiele hier das Fender Rhodes Piano und die Live-Elektronik.

2. Oliver Prechtl - Radiocollage „Double Elvis“ (nur in der Download-Version enthalten)

Innerhalb einer Sonderausstellung zur Pop Art in der Staatsgalerie Stuttgart bekam ich den Auftrag, eine Live-Darbietung zu konzipieren, die Bezug zur Pop Art und im Speziellen zu "Double Elvis" von Andy Warhol nimmt. Daraus entstand eine radiophone Audiocollage unter Verwendung folgenden Audiomaterials: Da spricht einmal der Regisseur David Cronenberg über das Motiv von Warhols "Double Elvis" (Quelle: UbuWeb), welches ein Standbild aus dem Film "Flaming Star" darstellt. Cronenberg analysiert die Querbezüge des Songtextes, in dem sich Elvis mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt, und der bildhaften Umsetzung Andy Warhols, indem die kopierte Abbildung Elvis Presleys mit Revolver durch die ungleichmäßige Belichtung eine irreale und damit quasi jenseitige Wirkung erzielt. Wechselweise hört man ein Field Recording aus einem Wohnzimmer, in dem gerade der Elvis-Song "Flaming Star" läuft. Als kommentierende Einwürfe ertönen vereinzelte Sprechchöre sowie getragene, tröstende Gesangs-Passagen aus dem Ligeti-Requiem in einer Aufnahme des Berlin Philharmonic Orchestra.

3. Ohrenzeuge - Der Saus und Braus

Elias Canetti scheint in seiner Charakterstudie Der Saus und Braus das Bild eines modernen Odysseus zu zeichnen. Wenn man nicht wüsste, dass der Text in den 70er Jahren entstanden ist, möchte man annehmen, Canetti beschreibt darin den zerfahrenen, sensationsgeilen Internet-Surfer anfang des 21. Jahrhunderts. In diesem Live-Mitschnitt einer Aufführung in der Theatergalerie Neckartailfingen wird der Hörer von dem Rezitator Michael Stülpnagel und mir selbst am Sample-Keyboard auf eine irre Achterbahnfahrt durch unterschiedlichste Klangwelten geschickt: Afrikanische Mbira, Argentinischer Tango, serielle und postserielle Musik, chinesische Zheng, Musik der Wiener Klassik, Jazz Trio, italienischer Canzone, indischer Raga, Turntablism, Pop-Musik, präpariertes Klavier sowie bairische Zither sind die potpourrierenden Kanäle für des Saus und Brausens wildes Zapping.

4. Oliver Prechtl - Wooden Rohbau

Meine Audio-Komposition Wooden Rohbau basiert auf zwei Samples mit der Dauer von jeweils 1 Sekunde aus einem Instrumental-Tune des Vibraphonisten Billy Wooten. Es handelt sich um zwei Einzeltöne aus der Originalaufnahme, die hier in mehrfach gedehnter Form als Orgelpunkte bestimmend für das Stück werden. Der durchdringende Grundton des Vibraphons ist ständig präsent während der spezifische Obertonreichtum mittels mehrfacher elektronischer Prozessierung durch extreme Dehnung zu einem künstlichen Klanggebilde wird. Das Ergebnis dieses bearbeiteten Rohmaterials wiederum mehrfach übereinander geschichtet erzeugt so etwas wie eine rauhe harmonische Fortschreitung, die zusammen mit den unerwarteten Artefakten zu einer eigentümlich schillernden Klangtextur verschmelzen.

5. ZAUN - CI. PRINZ. S.

Die Stuttgarter Gruppe ZAUN setzt sich spielend mit der Interpretation von bekannten Melodien auseinander. Sie bedient sich dabei an gern und oft gebrachten Tunes aus dem Real Book. Die Herangehensweise bei der gemeinsamen Erarbeitung ist, die Musik anders und neu zu lesen. CI, PRINZ und S sind drei Standards in den Versionen von Anja Füsti an den Drums, Holger Renz an der elektrischen Gitarre sowie einer elektrischen Bassgitarre, welche äußerst leidenschaftlich von mir selbst gespielt wurde.

6. Intermezzo: Malik und Sophie

Eine(n) Hörer(in), der/die die Schallplatte gewendet hat, darf ich Mal So mit einer Audio-Miniatur zur B-Seite begrüßen. Es ist ein Remix zeitnaher Samples aus dem Frühjahr 2008. Wie eine Art kaleidophonischer Tagebucheintrag lässt dieser Track eine Radiosession im Freien Radio für Stuttgart, einen Abend Instant Kraut Kollektiv mit MBK Stuttgart, ein Konzert improvisierter Musik im Stuttgarter Atelierhaus op nord sowie eine Blues-Session in Herrenberg Revue passieren.

7. Akkordsport: Nuages gris

Das außergewöhnliche Klavierstück Nuages gris verharrt in schwebender Tonalität und Metrik. Auf den schweren Taktzeiten, die traditionellerweise betont sind, finden sich hier Pausen und aus dem Vortakt überbundene Noten. Die Grundtonart g-moll wird mehrfach verschleiert. Zum einen verursacht die erhöhte vierte Stufe eine Verfremdung der Mollskala, der Grundton g wird auf unbetonten Taktzeiten gebracht, im Bass zudem wird der Grundton gänzlich vermieden und bewegt sich stattdessen um die Terz b herum. Das Stück besteht aus zwei Teilen, wobei der zweite Teil eine variierte Wiederholung des Ersten ist. Während der erste Teil noch in einer chromatischen Abwärtsbewegung von übermäßigen Dreiklängen mündet, gibt es im kontrapunktischen zweiten Teil eine in Oktaven aufwärts geführte Linie. Der Schluss bringt harmonisch eine dezente Aufhellung durch die piccardische Terz h. In diesem Spätwerk verarbeitet Franz Liszt in äußerst konzentrierter Form eine bis an die Grenzen getriebene Empfindung von Tonalität, die noch den spätromantischen Ton nachfühlen, aber die Moderne schon anklingen lässt. Meine Bearbeitung für das Ensemble Akkordsport lässt im ersten Teil elektronische Clubmusik-Beats und Radiofrequenzen von draußen in den Konzertsaal hinein und durch die trüben Wolken scheinen. Im zweiten Teil wird die gebrochene Harmonik ins Mikrotonale hinein durch nicht korrigierte, natürliche Flageolets in den Streichen noch verstärkt. In einer Aufnahme im Franz Liszt-Saal Wien, betreut von Peter Rösner und Ulrich Treutwein spielen Sascha Rathey (Flöte), Annelie Gahl (Violine), Lorenz Unger (Viola), Heinrich Weeth (Violoncello), Rüdiger Kurz (Kontrabass) sowie ich selbst am Bösendorfer Flügel.

8. Martin/Wang/Prechtl: Minestroso oder: Die Gründung von Zappanthropoulos

Wenn ein Instrumentalist spontan aus einem Pool von Motiven sich für eines entscheidet, darüber improvisiert, dabei aber nicht weiß, für welches Motiv sich seine beiden Mitspieler entschieden haben: das sieht die konzeptuelle Komposition Z.W.A.G. vor. Für das Stück wird vor der Aufführung eine Auswahl von fünf möglichst unterschiedlichen Tanzsätzen aus verschiedenen Genres erstellt, charakteristische Wendungen herausgearbeitet und diese dann wie eine Art Tag-Wolke auf einer Partiturseite dargestellt. Die Spieler improvisieren in der Aufführung dann wiederum fünf kurze Stücke nach der oben genannten Regel. In diesem Live-Mitschnitt ist die Version von der 8. Karlsruher Museumsnacht vom 5.8.2006 in der Kunsthalle Karlsruhe zu hören, die ich zusammen mit der Akkordeonistin Lulu Wang und dem Schlagzeuger Ferdinand Martin aufgeführt habe.


Mastering: Ralv Milberg
Bild: "Privatweg" (2012) von Maria Gideon
Grafische Gestaltung: Volker Kühn
Konzeption, Produktion und Begleittext: Oliver Prechtl
Danke an Henrik für die beratenden Worte
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